Die Staatspolizei Lüneburg

Die Staatspolizei Lüneburg
Strukturen und Täter

Vorwort:
Über 65 Jahre nach Ende der Nazi-Herrschaft legen wir mit dieser Broschüre die erste gründliche Veröffentlichung über die Lüneburger Gestapo vor. Dieser große zeitliche Abstand scheint unverständlich in einer Stadt wie Lüneburg mit seinen wissenschaftlichen Einrichtungen sowie Stadt-, Kreis- und Bezirksverwaltungen und diversen Gerichtsbehörden. Immerhin ist die Lüneburger Gestapo die örtliche Vertretung des umfangreichsten und schärfsten Verfolgungsinstruments des deutschen Faschismus. Obwohl sie in der etwa vierjährigen Zeit ihres Bestehens in der Heidestadt ( und zuvor von Harburg- Wilhelmsburg aus) nicht nur selbst mehrere tausend Verhaftungen vornahm und Haftstrafen erwirkte, ebenso Einlieferungen, Misshandlungen und Folter in Arbeitserziehungs- und Konzentrationslagern zu verantworten hat und darüber hinaus zahlreiche Exekutionen beantragte und selber durchführte, kommt die Lüneburger Gestapo in der stadtgeschichtlichen Literatur nicht vor. Diese örtliche Verfolgungsbehörde, die nicht nur lediglich im Lüneburger Raum tätig war, sondern deren Kompetenzen sich geographisch auf den gesamten östlichen Bereich des Regierungsbezirks erstreckten von Harburg bis Wolfsburg, von Fallingbostel bis Dannenberg, ab 1944 sogar auf den gesamten Bereich des Regierungsbezirks bis hin zur Nordseeküste, blieb bislang unerforscht. Gründe dafür lassen sich nur vermuten. Die Verweigerung einer im Verhältnis geringen Summe von 300.- € zur finanziellen Unterstützung dieses Projektes von Seiten der Sparkassen-Stiftung (der immerhin ein Sponsorenumfang von 150.000.-€ jährlich zur Verfügung steht) deutet darauf hin, dass es von Seiten maßgeblicher Kreise der Stadt nicht gewünscht wird, dass dieser Teil der Lüneburger Stadtgeschichte für die Öffentlichkeit erschlossen wird.
Neben den lokalpolitischen Widerständen könnten es aber auch vermutlich arbeitspraktische Gründe sein, die einer solchen Veröffentlichung bislang im Wege standen, denn der gesamte Originalbestand der Gestapo-Dokumente wurde von Mitarbeitern dieser Polizeibehörde in den ersten beiden Aprilwochen des Jahre 1945 vernichtet (s. S. 53), der gesamte Umfang an Überlieferungen ging also scheinbar unwiederbringlich verloren. Unser Ansatz war deshalb hauptsächlich, neben den mündlichen Überlieferungen den Schriftverkehr, den die Gestapo mit weiteren Behörden führte und der weithin verstreut überliefert sein musste, aufzuspüren. Dieser musste nun in mühseliger Arbeit in den Kreisarchiven des Regierungsbezirks, in verschiedenen Staats- und Hauptstaatsarchiven, in Bundesarchiven und auch in den Archiven vieler NS-Gedenkstätten recherchiert werden, eine Tätigkeit, mit der die Verfasser etwa drei Jahre nebenberuflicher Arbeit verbrachten. Der dabei gewonnene Umfang an Daten und Material zeigte recht bald, dass eine umfassende Darstellung der Lüneburger Gestapo in einer kleinen Schrift wie dieser nicht möglich ist: Alleine die Benennung und kurze Charakterisierung der Gestapo-Opfer hätte mehrere hundert Seiten gefüllt. Aus diesem Grunde beschreiben wir mit diesem Band primär die Täter, Strukturen und Arbeitsweisen der Lüneburger Geheimen Staatspolizei. Ein Schutzhäftlings-Verzeichnis des Gerichtsgefängnisses Lüneburg, worin jener Teil der Lüneburger Gestapo-Opfer verzeichnet sein wird, der in Lüneburg gefangen gehalten wurde, wird derzeit von der Lüneburger VVN-BdA erstellt und demnächst zur Verfügung stehen. Vielleicht gelingt es mit jenem Dokument in Ergänzung zu dieser Schrift zu erreichen, am Gerichtsgefängnis eine Mahn- und Gedenktafel zu errichten, um an diese Opfer zu erinnern und damit die derzeitigen politischen Widerstände zu überwinden, die sich auch diesem Vorhaben bislang noch in den Weg stellen.