„Ich überlebte als Mitglied des „Mädchenorchesters“ das deutsche Vernichtungslager Auschwitz und konnte vor 76 Jahren auf dem Todesmarsch der Häftlinge des KZ-Ravensbrück der SS entkom-men. “ Esther Bejarano
Die Vorsitzende des Auschwitz-Komitees in der BRD e.V und die Ehrenpräsidentin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes -Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Esther Bejarano ist im Alter von 96 Jahren in Hamburg gestorben.
Auf ihrem Facbook-Account teilt uns Barbara Naziri die traurige Nachricht mit: „Meine liebe, wunderbare Freundin Esther ist im Morgengrauen gestorben.“
Während Esther Bejarano im KZ-Auschwitz um ihr Leben musizierte, setzte sie ihre Musik nach der Befreiung im Kampf gegen alte und neue Nazis ein. Unermüdlich forderte sie den bundesweiten Feiertag am 8. Mai als Tag der Befreiung:
8. Mai zum Feiertag machen! Was 76 Jahre nach Befreiung vom Faschismus getan werden muss!
Mit Esther Bejarano in Lüneburg
Wir erinnern uns mit Respekt an die vielen Anlässe, bei denen uns Esther Bejarano in Lüneburg, nicht nur als Gast, vielmehr auch als aktive Kämpferin gegen Faschismus und Rassismus, unterstützt hat. So erhob sie ihre Stimme zum Beispiel 2008 beim Halt des Zuges der Erinnerung, bei der Verleihung des Titels „Schule ohne Rassismus“ an der Hauptschule Kaltenmoor – wofür sie die Patenschaft übernahm. Lesung und Konzert mit ihrer Band „Microphon-Mafia“ fanden im Salon Hansen statt. Ebenso trat sie an der Hauptschule Am Katzenberg in Adendorf auf. Das Konzert mit der „Microphon-Mafia“ war damals Höhepunkt der Projekt-Woche-gegen-Rassismus.
Selbstverständlich fand Esther Bejarano bei diesen Besuchen immer Zeit für ihr großes Anliegen, Gespräche mit den Schüler*innen zu führen.
Esther Bejarano unterstützte viele antifaschistische und antirassistische Projekte mit Auftritten in Lüneburg
Am 23. 3. 2003 wurde die Hauptschule Kaltenmoor zur „Schule ohne Rassismus„. Die Schule veranstaltete eine Projekt-Woche „Füreinander Welten öffnen“ .

Die Schule wünschte sich damals Esther Bejarano als Patin. Esther erfüllte diesen Wunsch und übernahm auch die Schirmherrschaft über die Projekt-Woche.

Sie besuchte die Schule bei der Veranstaltung (Festaktprogramm ; Foto vor Picasso-Gernika-Bild) und sprach zu den Schüler*innen und zu den Lehrer*innen.


Dass die Unterstützung solcher Initiativen Esther Bejarano eine Herzensangelegenheit war, zeigt der Brief, den sie als Patin an die Hauptschule Kaltenmoor schrieb.

2008 – Esther Bejarano begrüßte mit vielen Lüneburger*innen den Zug der Erinnerung
Uns wird die vorbildliche Antifaschistin in unserem Kampf gegen Rechts fehlen. Ihr zu Ehren werden wir alles tun, damit die Forderung der 1945 befreiten KZ-Häftlinge Wirklichkeit wird:
Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!
Für die VVN-BdA-Lüneburg
Peter Gunkel
Wir leben ewig – Ein Nachruf auf Esther Bejarano vom Lüneburger Netzwerk gegen Rechts
Am frühen Morgen des 10. Juli 2021 starb Esther Bejarano in Hamburg. Die Überlebende des KZ Auschwitz-Birkenau, die aktive Antifaschistin, Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees Deutschland und Zeugin ihrer Zeit wurde 96 Jahre alt.Noch im hohen Alter engagierte sie sich politisch, war Mahnerin, Aufklärerin,Hoffnungsgeberin und humorvolle Optimistin. Wir trauern gemeinsam mit ihrer Familie, um einen großartigen, mutigen und unerschütterlichen Menschen.
Ihr Wirken lebt in uns fort. Esther wurde am 15. Dezember 1924 als Esther Loewy in Saarlouis geboren. Ihr Vater war jüdischer Lehrer und Kantor. Ihre Eltern wurden 1941 von den Nazis in Litauen umgebracht, sie selbst musste in einem Lager Zwangsarbeit leisten, bevor sie Anfang 1943 ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. Esther berichtete, dass sie nur überlebte, weil sie im Mädchenorchester des Lagers Akkordeon spielte: „Die SS befahl uns, am Tor zu stehen und zu spielen, wenn neue Transporte ankamen in Zügen, in denen unzählige jüdische Menschen aus allen Teilen Europas saßen, die auf den Gleisen fuhren, die bis zu den Gaskammern verlegt wurden und die alle vergast wurden. Die Menschen winkten uns zu, sie dachten sicher, wo die Musik spielt, kann es ja nicht so schlimm sein. Das war die Taktik der Nazis. Sie wollten, dass all die Menschen ohne Kampf in den Tod gehen.“
Nach der Befreiung prägte der Kampf gegen Rechts viele Jahrzehnte ihres Lebens. Sie sprach auf Demonstrationen, wenn es gegen die NPD und AfD ging und kritisierte deren demokratiefeindliche und menschenverachtende Ideologien. Zusammen mit ihrem Sohn Joram und ihrer Tochter Edna sang sie jüdische und antifaschistische Lieder, zuletzt tourte sie mit der Kölner Hip-Hop-Band Microphone Mafia durch Deutschland, auch hier in Lüneburg. In unzähligen Schulen, auch in Andendorf, sprach sie vor Jugendlichen, erzählte ihre Geschichte und machte deutlich, dass man nicht schweigen darf wenn Unrecht geschieht: „Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt. Ihr müsst alles wissen, was damals geschah. Und warum es geschah.“
Am 76. Jahrestag zur Befreiung des KZ Ausschwitz forderte sie erneut, dass der 8. Mai – Tag der Befreiung, zum Feiertag erklärt wird. Ein Jahr zuvor hatte sie in einem Offenen Brief „an die Regierenden und alle Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen“ geschrieben: „Es ist für uns Überlebende unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen gebrüllt werden, wenn Menschen durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren. Wir wollen uns nicht gewöhnen an Meldungen über antisemitische, rassistische und menschenfeindliche Attacken in Berlin und anderswo, in Halle, wo nur stabile Türen die jüdische Gemeinde schützten, aber zwei Menschen ermordet wurden. Diese Betroffenheit muss zum Handeln führen, es muss gefragt werden, wie es so weit hat kommen können. Es muss gestritten werden für eine andere, bessere Gesellschaft ohne Diskriminierung, Verfolgung, Antisemitismus, Antiziganismus, ohne Ausländerhass! Nicht nur an Gedenktagen!“
Der Kampf für eine bessere Welt, war für sie untrennbar verbunden mit der Losung von 1945
– Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus. Eine Losung, zu der sie Generationen inspirierte, Mut gab und Hoffnung stiftete. Ihre tiefe Abneigung gegen alles Menschenverachtende, war verbunden mit ihrer Liebe zum Leben. Ihr Humor und ihre Zuversicht, war ein Zeichen ihres Trotzes. Ihre Aufklärung und ihre Musik, die Rache an den Nazis. Lernen wir von dieser Frau, wie wir auch von anderen Überlebenden des Holocaust lernen sollten. Die Erinnerung an Esther bleibt uns als Segen, ihre Erfahrungen als eine Mahnung für die Zukunft und ihr Kampf, als fortwährende Aufgabe unserer Zeit.
Danke Esther, mir lebn eybik!
Unterzeichnende:
• Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Kreisvereinigung
Lüneburg
• Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen
• Deutscher Gewerkschaftsbund Lüneburg
• SJD – Die Falken Lüneburg
• Geschichtswerkstatt Lüneburg e.V.
• AStA der Universität Lüneburg
• Omas gegen Rechts Lüneburg
• Seebrücke Lüneburg
• Lebensraum Diakonie e.V. – Diakonisches Werk
• Alltagskultur e.V.
• Stadtjugendring Lüneburg e.V.
• IG Metall Celle-Lüneburg
• GEW-KV Lüneburg
• BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN Kreisverband Lüneburg
• dielinke.SDS Lüneburg
• Linksjugend [’solid] Lüneburg
• DIE LINKE Kreisverband Lüneburg
stellv. für das Lüneburger Netzwerk gegen Rechts