Gedenkorte nur naive Geschichtsfälschung ???

Mittwoch, 01.12.2021

Gedenkort zum wundern

Gedenkort zum
grausen

Friedhof Kolkhagen

Flugplatz Faßberg

1.  Zum Friedhof Kolkhagen

Bei Spaziergängen Wanderungen kommt man nicht umhin stößt man in der Gegend oft auf Gedenkstätten, die an die toten Soldaten aus dem ersten und zweiten Weltkrieg erinnern. So auch beim Friedhof des Ortes Kolkhagen bei Lüneburg.
Der Text auf dem Gedenkstein lässt die Leser:innen jedoch verwundert den Kopf schütteln.

Dort steht:

Den Beschützern der Heimat

1914 – 1918   1939 – 1945

Gemeinde Kolkhagen

  Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass Angehörige oder auch eine ganze Dorfgemeinschaft um ihre Toten trauern. Ebenso ist die Gestaltung eines Gedenk- und Erinnerungsortes ein wichtiges Mittel immer wieder an die Gescheh-nisse zu erinnern.

Wie kann aber als Inschrift unter einem symbolisierten Eisernen Kreuz unkommentiert im Jahr 2021 stehen:

„Den Beschützern der Heimat“ ??

  Diese Zuschreibung ist eine plumpe und dreiste Geschichts-Lüge! Denn die in diesem Text zu „Heimatbeschützern“ hochgelobten Toten sind nicht etwa französische, britische, belgische, niederländische, polnische, sowjetische …Soldaten: diese hatten in den Weltkriegen tatsächlich ihre „Heimat beschützt“ – vor angreifenden und marodierenden deutschen Truppen. Die Gemeinde Kolkhagen meinte mit den „Heimatschützern“ aber eben die Soldaten, die von ihrer Heimat Kolkhagen aus in den Krieg zogen für „Kaiser – bzw. Führer- und Reich“ gegen die anderen Völker.

  So finden sich auf den weiteren Gedenksteinen ausschließlich Namen deutscher Herkunft. Und so schlimm es ist, diese Männer waren als Angreifer an zwei Angriffskriegen beteiligt und nicht als Beschützer ihrer Heimat.

  Nun kann man vielleicht meinen, solch ein Satz möchte doch nur etwas „Gutes“ über die toten Soldaten sagen, oder sei aus Gedankenlosigkeit entstanden – aber dies ist nicht so. Er verleugnet in seiner Aussage die Kriegsschuld Deutschlands an beiden Weltkriegen. Hier wird immer noch die nationalistische Legende von Deutschlands Unschuld am Ausbruch des 1. Weltkriegs aufgetischt. Ebenfalls für den 2. Weltkrieg bedeutet die Einordnung „Beschützer der Heimat“, dass ja „nur“ zurückgeschossen wurde: „Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen!“ (Hitler am 1. September 1939 vor dem Deutschen Reichstag) Die Gemeinde Kolkhagen hat damit in schlichter Fake-News-Manier Angreifer zu Verteidigern umdefiniert. Auch für den 2. Weltkrieg wird somit geleugnet, dass es sich um einen verbrecherischen Vernichtungs- und Angriffskrieg handelt.

2. Zum Flugplatz Faßberg

  So übel die Sinngebung der deutschen Kriege auf dem Kolkhagener Stein auch ist: Es geht noch sehr viel übler! Direkt kriegsverherrlichend kommen z.B.  die Gedenk- und Erinnerungstafeln vor dem Bundeswehrflugplatz in Faßberg daher. Es ist kaum zu fassen, was am Ort des früheren Fliegerhorsts der Reichswehr-Luftwaffe auch 2021 noch zu lesen ist:

„Vom Horst[1] herüber schallten die Propeller ihren jauchzenden Ton. Die Stukas [2] pfiffen das hohe C und die abgeworfenen Bomben, da ganz hinten, machten den Baß. Dieses Konzert gehörte zu Faßberg wie das Brüllen der Kühe auf einem großen Bauernhof.“

  Ganz im Stil nationalsozialistischer Kriegspropaganda verherrlicht diese Tafel die beginnende Vernichtungsmaschinerie der Nazis. Vollkommen unkommentiert steht dieser Text am Eingang zu dem heutigen Bundeswehrflugplatz. Da wundert man sich fast, dass nicht auch noch das Nazi -„Stukalied“ mit auf der Tafel steht.[3]

[1] Fliegerhorst  

[2] Sturzkampfbomber; https://de.wikipedia.org/wiki/Sturzkampfflugzeug

[3] Das Lied verherrlicht u.a. Flächenbombardements

  Auch der Text, der die Entstehung des Ortes Faßberg beschreibt, erwähnt mit keinem Wort, dass Faßberg ausschließlich für den geplanten Zweiten Weltkrieg errichtet wurde.

Unter der Überschrift

„Die echten Faßberger sind doch wir Prenzlauer, die von der Fliegerschule.“
Die neuen Siedler aus der Kampffliegerschule Prenzlau seit 1937

steht lapidar, Ende 1933 (!!) sei ein Herr gekommen, der sehr viel Land von den ansässigen Bauern kaufen wollte. Auch hier keinerlei Hinweis, dass es sich bei dieser landkauf-Aktion schon um eine Vorbereitung des 2. Weltkrieges handelte.

  Naiv-harmlos kommt ebenfalls der Text zu den Arbeitern daher, die Faßberg erbauten, z.B. mit der Wendung „…, denn unter den Bauarbeitern waren ziemliche ´Rabauken`, …“ Nicht der geringste Hinweis, klärt darüber auf, dass beim Bau des Flugplatzes, wohl auch des Ortes, ebenfalls Zwangsarbeiter:innen und Menschen aus Konzentrationslagern eingesetzt wurden 1.

  Zu erinnern ist in diesem Zusammenhang auch an den Skandal um die sogenannte Hitlerglocke in Faßbergs Michaelkirche. Als 2017 publik gemacht wurde, dass in Faßberg immer noch eine Glocke mit Hakenkreuz zu Ehren Hitlers läutet, haben die Faßberger:innen zwei Jahr gebraucht, dieses Nazirelikt zu entfernen.

  Hoffentlich geht es wesentlich schneller, dass sich die Menschen in Faßberg ernsthaft mit den Texttafeln befassen und deren Geschichtsklitterung beseitigen? Vielleicht kann ja die „Geschichtswerkstatt Gemeinde Faßberg“ solch ein Vorhaben voranbringen?

1 Siehe: Matthias Blazek; Die geheime Großbaustelle in der Heide Faßberg und sein Fliegerhorst 1933–2013;
ISBN 978-3-8382-0480-2

Standort der Tafeln links neben der Einfahrt zum Flugplatz

Peter Gunkel